Hier ein paar Gedichte, die ich sehr schön finde
Es ist Nacht
Es ist Nacht,
und mein Herz kommt zu dir,
hält`s nichts aus,
hälts nichts aus bei mir.
Legt sich dir auf die Brust,
wie ein Stein,
sinkt herein,
zu dem deinen hinein.
Dort erst,
dort erst kommt es zur Ruh,
liegt am Grund
seines ewigen Du.
Christian Morgenstern
Sachliche Romanze
Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen: sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.
Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse, als ob nichts sei,
und sahen sich an und wußten nicht weiter.
Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.
Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken,
er sagte es wäre schon Viertel nach Vier
und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken.
Nebenan übte ein Mensch Klavier.
Sie gingen ins kleinste Cafe am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend saßen sie immer noch dort.
Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.
Erich Kästner
Was ist es
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Erich Fried
Lebewohl
Lebe wohl! Zu fremden Strömen
Eil ich, wo die Freiheit ficht,
Abschied möcht ich gerne nehmen;
Doch dir nahen darf ich nicht!
Wohl, ich folge heil'gem Ruhme,
Doch, ich lasse dich zurück,
Meines Lebens süße Blume,
Meiner Träume stilles Glück.
Goldner Phantasien Schimmer
Schloß mich von der Wahrheit aus;
Aber jetzt zerfällt in Trümmer
Meiner Hoffnung Götterhaus.
Ach, die schlimme, rauhe Wahrheit
Und die Trennung, mir so nah,
Stehen in enthüllter Klarheit
Itzt vor meinen Blicken da!
Ach, ich kann nicht mehr der Hehler
Meiner eignen Schmerzen sein:
Denn es drängen Berg und Täler
Zwischen dir und mir sich ein!
Und es kömmt die harte Trennung,
Und zerreißt das tiefste Herz,
Trennung! Kleinliche Benennung
Für den allzu großen Schmerz!
Lebe wohl! Es fühlte Keiner,
Fühlet Keiner solche Qual!
Dürft ich sagen: Denke meiner!
Doch du kennst mich nicht einmal!
Mit des Lebens schönsten Trieben
Wuchert ihr Verlust mit Macht;
Doch ein Trost ist mir geblieben,
Der der Hoffnung Flamme facht.
Bleiben mir ja doch die Musen,
Gütig in vertrauter Näh,
Und dein liebes Bild im Busen
Trag ich über Land und See.
Traurig muß ich von dir gehen,
Aber ich verzweifle nicht;
Denn vielleicht beim Wiedersehen
Lächelt mir dein Angesicht.
Wenn wir neu das Recht begründen,
Und die Freiheit unserm Land,
Wirst du einen Kranz mir winden
Mit der vielgeliebten Hand!
August von Platen
Der Einsame
Einsam irr' ich durch die Gassen,
durch den Regen, durch die Nacht.
Warum hast du mich verlassen,
warum hast du das gemacht?
Nichts bleibt mir, als mich zu grämen!
Gestern sprang ich in den Bach,
um das Leben mir zu nehmen;
doch der Bach war viel zu flach.
Einsam irr' ich durch den Regen,
und ganz feucht ist mein Gesicht
nicht allein des Regens wegen,
nein, davon alleine nicht.
Wo bleibt Tod in schwarzem Kleide?
Wo bleibt Tod und tötet mich?
Oder besser noch: uns beide?
Oder besser: erst mal dich?
Heinz Erhardt
Es weht der Wind ein Blatt vom Baum,
von vielen Blättern eines.
Das eine Blatt, man merkt es kaum,
denn eines ist ja keines.
Doch dieses Blatt allein
war Teil von unserem Leben,
drum wird dieses eine Blatt allein,
uns immer wieder fehlen.
Autor unbekannt
Woher sind wir geboren?
Aus Lieb.
Wie wären wir verloren?
Ohn Lieb.
Was hilft uns überwinden?
Die Lieb.
Kann man auch Liebe finden?
Durch Lieb.
Was lässt uns lange weinen?
Die Lieb.
Was soll uns stets vereinen?
Die Lieb.
Johann Wolfgang von Goethe
VOLKSLIED
Wenn ich ein Vöglein wär,
Und auch zwey Flüglein hätt`,
Flög ich zu dir;
Weil es aber nicht kann seyn,
Bleib ich allhier.
Bin ich gleich weit von dir,
Bin ich doch im Schlaf bey dir,
Und red` mit dir:
Wenn ich erwachen thu,
Bin ich allein.
Es vergeht keine Stund` in der Nacht,
Da mein Herze nicht erwacht,
Und an dich gedenkt,
Dass du mir viel tausendmal
Dein Herz geschenkt.
Gottfried August Bürger